Jülich. „Vielleicht ist der Betrieb des Freibades im nächsten Jahr ja sogar möglich, denn die Bezirksregierung hat uns mitgeteilt, dass ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn (also bevor ein Gutachten vorliegt) förderunschädlich wäre“, informieren die Stadtwerke Jülich GmbH (SWJ). „Da liegt aber noch ein weiter Weg vor uns und es wäre unredlich, jetzt Hoffnungen zu wecken, die im Nachhinein enttäuscht würden“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Ulf Kamburg.
Die SWJ nimmt zur aktuellen Diskussion rund um einen möglichen „Notbetrieb“ des Freibads Stellung. Das Unternehmen weiss, wie sehr die Bürger Jülichs am Freibad und den dort gebotenen Möglichkeiten hängen. Ebenso vertraut ist, wie sehr eine solche Freizeitmöglichkeit, die durch das Hochwasser so stark beschädigt wurde, fehlt. Und natürlich will die SWJ ein Freibad. Auch möchte das Unternehmen seinen Mitarbeitern, die dort tätig sind, einen sicheren Arbeitsplatz bieten und weiterhin zur Attraktivität der wachsenden Stadt Jülich beitragen.
Unabhängig von der Begutachtung der gesamten Anlage des Freibades, die für eine mögliche Förderung erforderlich ist, wurden die Schäden an der Technik bereits von der Versicherung in Augenschein genommen. Sie erkannte den Schaden dem Grunde nach an. Der Fokus der ausstehenden Erkenntnisse des erwarteten Gutachtens liegt auf Schäden oder Beeinträchtigungen der Infrastruktur wie den Becken oder des Umkleidegebäudes.
Anfrage bei Bezirksregierung
Die SWJ hat darauf basierend bei der zuständigen Bezirksregierung am 2. September offiziell angefragt, ob die Erneuerung technischer Anlagen zur Ermöglichung eines eingeschränkten Freibadbetriebs vor der gutachterlichen Feststellung der Flutschäden förderunschädlich im Sinne der Förderrichtlinie „Aufbauhilfen für die Infrastruktur in Kommunen“ wäre.
Die Bezirksregierung hat auf diese konkrete Anfrage hinsichtlich des eingeschränkten Freibadbetriebs – vorbehaltlich etwaiger Erkenntnisse zur Bausubstanz – der SWJ am 5. September mitgeteilt, dass ein vorzeitiger Maßnahmenbeginn förderunschädlich wäre.
Umfangreiche Schäden in Technik und Gebäude
Um die umfangreichen Schäden – sowohl im Freibad als auch für das gesamte Areal der städtischen Sportstätten linksseits der Rur – kompetent zu bewerten, hatte die Stadt Jülich Anfang 2022 ein Gutachten in Auftrag gegeben.
In diesem Gutachten hätten dann auch die Schäden am Freibad aufgegriffen und bewertet werden müssen.
So standen im Bereich der Technik durch das Hochwasser alle Pumpen und Motoren inklusive der Steuerungstechnik unter Wasser und wurden unbrauchbar. Das Blockheizkraftwerk stand im Wasser und wurde reparabel beschädigt. Da die Stromversorgung ebenfalls zerstört wurde, konnte noch nicht geprüft werden, ob die Warmwasseraufbereitung für die Duschen und das Spülluftgebläse noch intakt sind. Zur Prüfung des Rohrsystems wäre ein Betriebszustand erforderlich. Hierzu wären zahlreiche Vorarbeiten notwendig.
Auch wenn derzeit bei den sichtbaren Leitungen keine Beschädigungen zu erkennen sind, könnten Schäden auch erst im laufenden Betrieb offenkundig werden. Zudem ist unklar, welche Schäden die Bodenverwerfungen bereits jetzt oder kurz- bis mittelfristig hervorrufen. Erkennbar ist, dass diverse Rohrträger-Stempel von Oxidation betroffen sind. Hier wird das Hochwasser zumindest beschleunigend gewirkt haben.
In Bezug auf die Gebäude sind folgende Schäden erkennbar: Kassenbereich sowie Flur, Sanitätsbereich, Damen- und Herren-WC sind schimmelig und wurden durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen. Die Wand im Personalraum, die parallel zur Rur verläuft, zeigt Schimmelspuren. Auch sind sichtbare Spuren des Wassers beziehungsweise des Wasserstands erkennbar. Die Umgänge um die Becken sind teilweise abgesackt. Diverse, zum Teil großflächigere Pflasterarbeiten im Bereich der Beckenumgänge vom Schwimmerbecken sowie vom Nichtschwimmerbecken sind erforderlich. Dies unterstreicht den Sachverhalt mit den Bodenverwerfungen. Sie können auch Rückwirkungen auf das große Schwimmerbecken haben, die bisher nicht offensichtlich zu erkennen sind.
Gerade die Schimmelspuren überall im Gebäude sind es, die den Verantwortlichen der SWJ große Sorgen bereiten. Denn Schimmel ist erheblich gesundheitsschädigend – und kann sich zum Teil erst später zeigen.
Weitere Schäden sind, dass im Beckenbereich sich diverse Abplatzungen und lose Fliesen zeigen. Der 5‑Meter-Turm sowie der 3‑Meter-Turm sind neu zu verputzen. Das Armierungseisen ist sichtbar, der Putz
Schadenshöhe allein bei Technik bei rund 200.000 Euro
„Noch können wir keine abschließende Schadenssumme nennen, da die anerkannte Höhe der Schäden an den Gebäuden unklar ist. Allein die technischen Schäden belaufen sich nach erster Kostenermittlung auf rund 200.000 Euro“, erläutert Ulf Kamburg.
Da die Schäden am Gebäude aber noch nicht ermittelt sind und hier vielleicht ein „Totalschaden“ vorliegt, ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Gesamt-Schadenssumme deutlich erhöhen wird.
Die SWJ hat frühzeitig – bereits im Juli und August 2021 – das Schadensbild der technischen Anlagen ermittelt und steht seit dem August des vergangenen Jahres in engem Austausch mit Fachfirmen, die die SWJ bei einer schnellstmöglichen Wiederaufnahme eines zumindest eingeschränkten Schwimmbetriebes unterstützen.
Zunächst Hallenbad wieder in Betrieb genommen
Kurz nach dem Hochwasser lag der SWJ-Fokus zunächst auf der Wiederinbetriebnahme des Hallenbades, um wenigstens dort – trotz erheblicher Schäden – das Schwimmen zu ermöglichen. Im Hallenbad musste sichergestellt werden, dass die Wärmezentrale wieder für eine stabile Wärmeversorgung des Nahwärmenetzes hergerichtet wurde.
Zudem wurden die technischen Schäden bereits im Juli 2021 durch eine vorsorgliche Schadensanzeige der Versicherung gemeldet.
Während der gesamten Zeit hat die SWJ versucht, den Prozess der Schadensbewertung zu beschleunigen und stand unterstützend auch für den Austausch mit der Dr. Fischer Consult GmbH zur Verfügung.
Gutachten liegt bisher nicht vor
Der bisherige Sachstand dieses „Nicht-Gutachtens“, das bisher lediglich aus einer Projektskizze bestand, war von der Dr. Fischer Consult GmbH sowohl den Gremien der Stadt als auch dem Aufsichtsrat der Stadtwerke Jülich vorgestellt worden. Allen Teilnehmern war klar, dass diese Projektskizze allerdings nicht für einen Förderantrag geeignet ist. „Das ist kein Gutachten im Sinne der Förderrichtlinien“, mache Dr. Uwe Macharey, Technischer Leiter der SWJ, dann auch deutlich.
Da alle bisherigen Ausführungen der Dr. Fischer Consult GmbH nicht auf ein Gutachten im Sinne der Förderrichtlinien hinwiesen, sondern auf eine Planung einer Sportanlage, kontaktierte die SWJ vorsorglich bereits im Juni dieses Jahres einen alternativen Gutachter, um sich dessen Kapazität zu sichern. Zumal das mehrfach in Aussicht gestellte Gutachten, das zuletzt für die Sommerferien zugesichert war, ausblieb.
Die Beauftragung des alternativen Gutachters steht noch aus. Mit ihm muss jetzt eine kurzfristige Vor-Ort-Begehung stattfinden, um weitere Schritte in die Wege leiten zu können und Details abzustimmen.
SWJ wird nun Fachfirmen beauftragen
Eine schnellstmögliche Aufnahme aller Tätigkeiten, um einen eingeschränkten Freibadbetrieb in der Saison 2023 möglich zu machen, ist auch im Sinne der SWJ. „Immer vorausgesetzt, dass alle technischen Komponenten und externen Dienstleister verfügbar sind“, dämpft Ulf Kamburg zu weitgehende Erwartungen. Ob damit wirklich die tatsächliche Wiederaufnahme zu erreichen ist, steht allerdings in den Sternen. Denn der Schimmelbefall könnte eine Wiedereröffnung erschweren.
Auf Basis der verbindlichen Aussage der Bezirksregierung werden die entsprechenden Fachfirmen nun unverzüglich mit der Herrichtung der technischen Anlagen und Betriebsmittel beauftragt.
Schritte zur Wiederaufnahme des Schwimmbetriebs
Um im Freibad wieder schwimmen zu können, ist neben der Beseitigung der technischen Mängel insbesondere die Lösung des Themas Schimmelbefall (und den damit einhergehenden erforderlichen Prüfungen) erforderlich. Danach kann der Betriebszustand eingeleitet werden. Dann werden die echten Betriebstests stattfinden können. Diese Schritte sind vorbereitet. Basierend auf der Rückmeldung der Bezirksregierung können die Schritte unabhängig von den Erkenntnissen des Gutachtens eingeleitet werden.
Es war das bisherige Ziel, nicht die Chance zu vergeben, Fördergelder zu bekommen, mit denen ein modernes Kombi-Bad vielleicht realisierbar wäre. Vielleicht als Teil‑, idealerweise sogar als vollständige Finanzierung durch den Fördergeber. Und dazu wird weiterhin ein Gutachten mit einer konkreten Festlegung, ob die baulichen Anlagen des Freibades abgängig sind, benötigt.
„Dann ist es wirtschaftlich sinnvoller, etwas neu zu bauen, statt es zu reparieren. Und dieses Gutachten liegt bis heute nicht vor“, bedauert Uwe Macharey.
„In aller Offenheit: weder der Zugang zu den Förderungen noch die Akzeptanz der zu fördernden Maßnahme und schon gar nicht die mögliche Höhe von etwaigen Fördermitteln können zum gegenwärtigen Zeitpunkt redlich benannt werden“, erläutert Uwe Macharey. Gleiches gilt für den sich daran dann anschließenden Planungs‑, Genehmigungs- und Bauprozess.
Viele Fragen
Trotz der aktuellen Mitteilung der Bezirksregierung ist offen, ob in den nächsten Jahren ein Freibadbetrieb erfolgen kann.
Wenn der Gutachter bescheinigt, dass die Bausubstanz beschädigt ist, ist fraglich, ob die beschädigte Bausubstanz dennoch temporär betrieben werden darf. Denn der Zugang zu Fördermitteln setzt – nach aktuellem Kenntnisstand – die gutachterlich bescheinigte Beschädigung der Bausubstanz voraus.
Auch ist eine konkrete und abgestimmte Planung, wie ein solches Kombi-Bad auszusehen hat, erforderlich. Ob diese Planung und die erforderlichen Abstimmungen in allen relevanten Gremien in der noch verbleibenden Zeit umgesetzt werden kann, ist ebenso fraglich.
Bleiben die Fördermittel aus, müssten die notwendigen Mittel des von Allen gewünschten Neubaus eines Kombi-Bads durch die Stadt Jülich aus Haushaltsmitteln aufgebracht werden. Denn die SWJ wird auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, diese Mittel weder eigenfinanziert noch fremdfinanziert bereitzustellen.
„Wir würden uns von Herzen wünschen, dass ein Kombi-Bad voll durch den Fördergeber finanziert wird. Im anderen Fall wären diese Mittel dann wieder durch die Stadt aufzubringen“, resümiert Ulf Kamburg.
Zeitablauf
Dies sind die wesentlichen Meilensteine der bisherigen Bearbeitung:
14./15. Juli 2021 Hochwasser, richtet gravierende Schäden in Jülich an.
Hallen- und Freibad sind stark in Mitleidenschaft
genommen.
15. Juli 2021 Vorsorgliche Schadensmeldung der SWJ an
Versicherung.
Juli/August SWJ-Konzentration auf Wiederherstellung Hallenbad und Ermittlung des Schadensbildes der technischen
Anlagen.
31. August 2021 Wieder-Eröffnung des Hallenbades
13. September 2021 Veröffentlichung der Wiederaufbauhilfe des Landes
Dezember 2021 Hinweise auf Fördermöglichkeiten „Hochwasserhilfe“.
Januar 2022 Entscheidung von Stadt und SWJ, gemeinsam zu agieren, da sowohl die städtischen Sportstätten links der Rur als auch das Freibad gleichermaßen betroffen waren. Hintergedanke war, dass ein Schadensereignis nicht zu zwei unterschiedlichen Folgen führen kann.
Januar/Feb. 2022 Stadt Jülich beauftragt Dr. Fischer Consult GmbH, Rheinbach, mit Gutachten, welches im März vorliegen soll.
27. April 2022 Schadensbegehung Freibad durch TG Plan GmbH , Subunternehmer von Dr. Fischer Consult GmbH nach mehrfachem Nachfassen durch SWJ.
9. Mai 2022 Kurzdarstellung der Projektskizze von Dr. Fischer Consult vor Sportstätten-Kommission im Hause SWJ.
24.Mai 2022 Präsentation der Projektskizze von Dr. Fischer Consult vor SWJ-Aufsichtsrat mit Hinweis, dass zu den Fragen der SWJ separate Gutachten zu erstellen seien.
Dr. Fischer Consult würde sich dazu eines Dritten bedienen, die Gutachten lägen Mitte Juni vor.
Dr. Fischer betont, dass er kein Gutachter ist, sondern lediglich ein „Fachplaner“. Von ihm kämen Aussagen zur Sanierung der Außenanlagen, zur baulichen Sicherung des Pumpengebäudes sowie für das neue Freibadgebäude.
23. Juni 2022 Kontakt der SWJ zu einem alternativen Gutachter.
8. Juli 2022 Nachfrage bei Dr. Fischer Consult und TG Plan GmbH, wann Gutachten erwartet werden kann.
9. August 2022 Erneute Nachfrage von SWJ bei Dr. Fischer Consult.
23. August 2022 Übermittlung von Dokument Bewertung Objekt: Sport-
Park Jülich – Schwimmbadbereich (Freibad) als Teilbewertung mit Ausarbeitung, welche Betriebsmittel und technische Anlagen im Freibad beschädigt sind.
Aussage: Bewertung zu Bau des Freibades und zu Baukörper sollen von Dr. Fischer Consult GmbH nachgereicht werden (kein Datum genannt).
2. September 2022 Anfrage der SWJ an Bezirksregierung, ob eingeschränkter Betrieb des Freibads förderunschädlich möglich ist.
5. September 2022 Positive Rückmeldung der Bezirksregierung zur Anfrage.
Kombi-Bad ist bei einem Neubau das Ziel
„Unser Ziel ist nach wie vor, ein Kombi-Bad, also eine Kombination aus Hallen- und Freibad, zu bauen. Denn wenn wir neu bauen müssen, soll das nicht nur ein reines Freibad werden“, macht Uwe Macharey die SWJ-Pläne deutlich.
Nur – die Realisierung eines solchen modernen Kombi-Bads würde nach heutigem Wissensstand ein Finanzvolumen von rund 20 Millionen Euro (heutiger Kostenstand) beanspruchen. Und diese Summe muss aufgebracht und bezahlt werden. Auch dass ein solcher Neubau (mit allen erforderlichen Vorbereitungen und Genehmigungen) einige Jahre dauern kann, darüber sind sich die Verantwortlichen ebenfalls im Klaren.
Ehrlicher Umgang
Bei der SWJ gehört es zum Selbstverständnis, auch über die aktuelle Situation und insbesondere den wichtigen Gesamtzusammenhang zu informieren. Ulf Kamburg betont: „Die Inbetriebnahme ist eine Sache – die technische Umsetzung und Beschaffung eine andere“, denn mittlerweile gibt es für bestimmte Teile Lieferzeiten von bis zu einem Jahr. Und dass Fachunternehmen, die solche Bäder bauen, nicht auf Aufträge aus Jülich warten, wissen alle Beteiligten.
Bis 30. Juni 2023 können Förderanträge eingereicht werden.